CREDO von Helmut Rödl (Vater von Hendrik Rödl)

Den nachstehenden Artikel von Helmut Rödl (Vater von Hendrik Rödl) sollte sich jeder Jugendcoach in DIN A1 Vergrößerung übers Bett hängen:


CREDO
von Helmut Rödl
veröffentlicht in FREIWURF, Mitteilungsblatt für den Hessischen Basketball, Sonderausgabe 1, 1990

Was sagt man als prämierter Jugendcoach? Man bedankt sich wohl bei der Trainerkommission und zwar im FREIWURF. Die rücken sonst vielleicht mit dem (Geld)-Preis nicht raus?

Also: Danke für die Anerkennung, obwohl man in unserem Sport, zumal im Jugendbereich, gelernt hat, mit wenig Öffentlichkeit zurechtzukommen. Was sagt man sonst noch? Weil man nicht so oft schreibt, muß es also was Prinzipielles sein, etwas was so richtig die Details übersieht. Hier nun einige Kern-(kernige)Sätze, die nicht unbedingt ein Rezept zur Gewinnung der deutschen Meisterschaft sind, diese aber nicht ausschließen: der Stein der Weisen.

1. Das Umfeld muß stimmen. Ohne Heims (Offenbacher Synonym für Organisationstalent), Eltern, Aufschreiber, Schiris geht nichts (siehe Fahrten, Spiele, Geräte, Trainingszeiten). Obiger Kernsatz soll in jedem Trainerbuch stehen, heißt aber langfristiges Interesse wecken, Kontakte schaffen, Mitarbeit anbieten, Wir-Gefühle aufbauen.

2. Überzahl da, wo der Ball ist (siehe schon Herberger). Das heißt für den Angriff Fast-break, für die Defense Presse mit Doppeln als Hauptwaffen im Spiel und Hauptformen im Training. Die Motivation für eine solche Konzeption ist in Einklang mit allgemeinen psychologischen Betrachtungen bei Jugendlichen: Mehr Lust am Toben, wenig Fixiertsein auf Systematik und Funktionen.

3. Die Motivation, die sich entwickelt, muß das Schwungrad sein für Trainingsintensität und funktionale Vielseitigkeit. Daraus folgt:

4. Ein allgemeiner Vorzug von spielerischen Formen gegenüber mehr analytischen Übungsreihen.

5. Es entstehen beachtliche Nebenprodukte: manches „Konditionstraining“ wird überflüssig; Übersicht, Denken als Team, Reflexe und Kreativität werden stark gefördert; die Belastbarkeit von Paß-, Dribbel-und Schußtechnik wird verstärkt. Die meisten „transition“-Probleme lösen sich auf organische Weise.

6. Die Siegeszuversicht des Trainers wird erhöht, wenn er beim Gegner „bewährte“ Praktiken feststellt,
als da sind:
– der Aufbau bringt in gekonnten Diagonalen den Ball vor (der Rest der Mannschaft nimmt genüßlich einen Schluck aus der Isostar-Pulle).
– der „outlet-pass“ geht immer zu einem Spieler
– ein Verteidiger bleibt immer bei „seinem“ Mann
– Zenter dürfen bei Fast-break oder Presse nicht mitmachen oder haben Sonderrechte.

7. Das Prinzip heißt vielmehr: ALLE immer beteiligen. Das kostet Kraft. Und das ist ein Vorteil. Man braucht alle Spieler, alle 10. Es gibt kaum Auswechselprobleme.

8. Die Bereitschaft ist leicht herzustellen, ein Gleichgewicht zwischen individuellen Erfolgserlebnissen und kollektiven Zielvorstellungen zu suchen.

9. Ein Greuel in diesem Zusammenhang (muß mir Luft machen) ein Coach, der seinen Spielern den jeweils nächsten „Zug“ vorschnauzt.

Wie ein solches Konzept langfristig realisiert wird, hängt ab von vielen vortaktischen Überlegungen, von den physischen und psychologischen Voraussetzungen einer Mannschaft, Details, die ich ja übergehen wollte.
Ganz im Sinne der Konzeption, ein schneller Übergang („transition“) zu einer ganz anderen Frage, die allerdings auch zum CREDO eines alternden Trainers gehört:

Warum macht man das immer noch??

Die Antwort heißt: Es macht Spaß. Solch schöne und platte Antwort sollte eigentlich in unserer fun-orientierten Gesellschaft hinreichen, aber als Lehrer muß ich einfach noch ein paar Spiegelstriche dranhängen.
Es macht Spaß, wenn…
– eine „Enkelkreatur“ mit vertraulichen „Helmut“ Mauern überspringt
– aus einem eckigen Fan eine komplexe Spielerpersönlichkeit wird
– aus einer Horde narzistischer Egos ein Team wird
– Jugos, Türken, Amis und Deutsche gemeinsam über Cevapcici, Schisch-kebab, Hamburgers oder Sahnetorte schmatzen und Vorurteile (auch auf dem Spielfeld) höchstens zum Darüberlachen taugen,
– man persönlich verspätet Deutscher Meister wird (Soll denn der Hessenpokal vor 25 Jahren alles gewesen sein?)
– der dadurch und durch ferne Söhne entstehende Heiligenschein das Selbstbewußtsein an dunklen Tagen erhellt und irgendwelche Kritiker und Zweifler erleuchtet,
– frühere Jugendspieler vertrauensvoll ihre Ableger bringen (sehen ihnen auch noch ähnlich!).


 


Über Helmut Rödl:
– Englisch- und Französisch-Lehrer
– als Schüler spielte er Fußball, Basketball und war ein guter Leichtathlet
– 1957 Teilnehmer an der Universiade in Paris mit der
Studentenauswahl
– 1960 und 1970 je ein Jahr in den USA in Springfield (Ohio) und Evansville (Indiana)
– seit 1964 Trainerschein
– seit 1979 B-Trainer des DBB
– erfolgreich als Trainer mit Jugendmannschaften des EOSC Offenbach: 1984 4.Platz bei den Deutschen
Meisterschaften mit der C-Jugend, 1986 Deutscher Meister mit der B-Jugend, 1989 Deutscher Meister mit
der C-Jugend, 1990 Deutscher Meister mit der B-Jugend, 1991 Hessenmeister mit der D-Jugend
– 1990 „Hessischer Jugendtrainer des Jahres“
Er ist ein qualifizierter Trainer und ein hervorragender Pädagoge. Für Basketball nimmt er sich immer Zeit, egal
wann. 


HBV-Landestrainer Friedrich Prinz