Konzeption im Jugendbereich

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Trainings- und Spielkonzeption im Jugendbereich
Leistung ohne Leistungsdruck


In diesem Artikel geht es um eine sinnvolle Konzeption zum langfristigen Aufbau einer Jugendmannschaft und die diesbezüglich völlig falsche Einstellung und Zielsetzung vieler Jugendtrainer.
Noch viel wichtiger als der Ruf der Landestrainer nach einer vielseitigen sportlichen Grundausbildung schon bei den Jüngsten ist meines Erachtens die Notwendigkeit, allen Jugendspielern gleiche Chancen zur Entwicklung zu bieten. Im frühen Jugendbereich von den Minis bis zur C-Jugend sollte – ähnlich dem Motto des olympischen Gedankens – das Erlebnis vor dem Ergebnis stehen.


 

Natürlich verliert niemand gerne, auch nicht die Minis, aber zu gewinnen kann und darf bei Kindermannschaften nicht das primäre Ziel sein. Zu viele Jugendtrainer coachen ihre Teams wie Erwachsenenmannschaften, sind viel zu einseitig auf den Erfolg fixiert und lassen dafür ihre schwächeren Spieler regelmäßig sogar bei klarsten Spielständen auf der Bank versauern. Um des kurzfristigen Erfolgs Willen stellen sie das Spiel ihrer Mannschaften vollständig auf ein, zwei oder drei Spieler ab und betrachten alle anderen lediglich als notwendige Mitläufer, die nur verteidigen und Blocks stellen dürfen. Für den kurzfristigen Erfolg mag das die richtige Taktik sein, mittel- und langfristig schießt man sich damit selbst ins Knie, nicht nur, weil die so vernachlässigten „Wasserträger“ mit der Zeit meist abspringen, sondern auch, weil man spätestens in der B-Jugend mit einem Zwei-Mann-Team keinen Blumentopf mehr gewinnt. Und was ist, wenn die „Stars“ einmal ausfallen? Die Bankhocker und Wasserträger sind dann hofnungslos überfordert.


So gewann kürzlich im Bezirk Darmstadt im Jugendpokal der D-Jugend-Vizebezirksmeister gegen den Bezirksmeister mit fast 100 Punkten Differenz, weil dessen Alleinunterhalter-Duo fehlte! Und wie oft gibt es im D- und C-Jugendbereich körperlich akzelerierte Frühentwickler, die ihre Altersklasse dominieren, um dann zwei Jahre später in der Versenkung zu verschwinden, weil die anderen den Entwicklungsvorsprung aufgeholt haben. Da der Unterschied zwischen kalendarischem und biologischem Alter mehr als plus/minus drei Jahre betragen kann, gibt es in Jugendmannschaften natürlich erhebliche Leistungsunterschiede. Aufgabe der Trainer ist es sicher nicht, dieses Gefälle auch noch gezielt zu verstärken.


Wer Basketball schon bei den Jüngsten nur erfolgs- und leistungsorientiert betreibt, schadet damit auf lange Sicht dem Leistungssport. Es ist ein Unding, in einem D-Jugendspiel einen oder mehrere Spieler überhaupt nicht einzusetzen, nur weil der Coach unbedingt gewinnen will.


In die gleiche Kategorie fällt auch die verbreitete Unsitte, schon bei den Allerkleinsten einen hoffnungslos unterlegenen Gegner gnadenlos niederzumachen, um sich dann mit den krassesten Kanterergebnissen brüsten zu können.


Im Jugendbereich geht es darum, möglichst vielen Kindern Spaß am Basketballspielen zu vermitteln, um später auf möglichst breiter Ebene Talente sichten zu können. Mit einer rigorosen Erfolgs- und Leistungsorientierung erreicht man jedoch genau das Gegenteil.


Ausgeglichene Mannschaften fallen allerdings selten vom Himmel, man muss sie gezielt formen, und man braucht dazu viel Geduld, Überzeugungskraft, pädagogisches Fingerspitzengefühl  – und das passende Spielkonzept.


Für mich gibt es im Anfängerbereich nur ein vernünftiges Konzept, welches im Wesentlichen aus folgenden 10 Punkten besteht:




  1. Alle Spieler müssen spielen, und zwar in jedem Spiel! Ein Spieler braucht vor allem Spielerfahrung. Auf der Bank bekommt man diese nicht.



  2. Ganzfeld-Manndeckung und Fastbreakspiel.
    Wichtigste technische Fertigkeiten:
    Defense – Grundlagen-Beinarbeit, Stellungsspiel
    Offense – ein einigermaßen sicherer Korbleger, Passen, Dribbeln, Stoppen, Sternschritt.
    Wenn das nicht alle Spieler einer Mannschaft in kurzer Zeit beherrschen, liegt es am Trainer!
    Mit diesem Konzept diktiert man ein hohes Spieltempo und ist gezwungen, viel zu wechseln, womit Punkt 1 erfüllt ist.
    DIe Mannpresse verursacht beim Gegner eine hohe Fehlerquote und produziert in Verbindung mit dem Fastbreakspiel viele einfache Wurfmöglichkeiten. So werden alle Spieler beteiligt, alle haben Erfolgserlebnisse, und man gewinnt die meisten Spiele, obwohl man gar nicht um jeden Preis gewinnen will.



  3. Der Coach muss den Spielern den Sinn des Konzepts klarmachen, denn es funktioniert nur, wenn alle es einsehen und mittragen. Teamgeist ist dabei ein immens wichtiges Schlagwort. Die besseren Spieler müssen lernen, dass sie die anderen brauchen,  und dass sie umso erfolgreicher spielen können, je mehr Entlastung sie bekommen.
    Gerade die schwächeren, unsicheren Spieler brauchen Rückendeckung und Ermutigung vom Coach. Man muss Ihnen immer wieder klarmachen, dass sie gebraucht werden, und dass sie nicht alle Verantwortung auf die – vermeintlich – besseren abwälzen dürfen, sondern auch Eigeninitiative entwickeln müssen. Gerade bei Kindern spielt das Selbstvertrauen eine entscheidende Rolle. Manche bringen es einfach mit und spielen allein deshalb eine dominante Rolle im Team, während andere ebenso gut sein könnten – sie wissen es nur nicht! Ermutigung von Seiten des Coaches – im Pädagogen-Fachjargon „positive Verstärkung“ genannt – spielt hier eine ganz entscheidende Rolle. „Gib den Ball lieber zu Michael, du triffst ja sowieso nicht“, erfüllt diesen Zweck nicht…



  4. Alle Kinder glauben, allein die Zahl der erzielten Punkte sei ein Gradmeser für ihre Leistung. Schließlich fragen ja Papa, Opa und die Freunde auch immer als erstes: „Na, wieviele Punkte haste denn heute gemacht?“ Diese Einstellung zu verändern ist schwierig, aber machbar! Schon bei den allerkleinsten wirkt es Wunder, wenn man einmal ein Spiel scoutet und ihnen zeigt, wie wichtig Rebounds, Ballgewinne und Assists sind. Gibt man für jede dieser Aktionen zwei Punkte, hat jeder im Team etwas, das er stolz nach Hause tragen kann.



  5. Jedes Kind in einer   Minimannschaft ist ein Basketballtalent: Ob sich diese Begabung entfalten kann, hängt ausschließlich von der richtigen Förderung ab. Die wenigen tatsächlich angeborenen Fähigkeiten lassen sich durch Motivation und Trainingsfleiß leicht ausgleichen. „Talent ist zu 10% Inspiration und zu 90% Transpiration“, hat einmal ein schlauer Kopf gesagt. Meine Erfahrungen mit Kindern bestätigen diese Behauptung, denn die 90% Transpiration sind reine Motivationssache und fallen damit eindeutig in das Aufgabenfeld des Coaches und – nicht zu vergessen – der Eltern.



  6. Basketball ist ein Spiel, das man – logischerweise – nur über Spielen lernen kann. Spielformen haben daher im Training einen sehr hohen Stellenwert – bei mir immer mindestens 50% der Trainingszeit – denn schließlich geht es vor allem darum, richtige Entscheidungen zu treffen: Spiele werden viel häufiger durch Fehlentscheidungen entschieden als durch Fehlwürfe! Was nützt mir die beste Passtechnik, wenn der Pass beim Gegner landet?!



  7. Jedes Training muss so effektiv wie möglich gestaltet werden, d.h.: alle Spieler müssen immer beschäftigt werden und Übungen ohne Ball werden weitgehend vermieden. Warum sollen sich Basketballer beispielsweise ohne Ball aufwärmen? Das Aufwärmtraining beinhaltet technische Elemente, die wiederholt und vertieft werden.



  8. Eine umfassende sportliche Grundausbildung ist die beste Grundlage für Erfolg in jeder Sportart. Jugendliche Basketballer haben häufig Defizite in der Rumpf- und Armkraft, weil diese durch reines Basketballtraining nicht entwickelt werden. Am sinnvollsten ist die zusätzliche Ausübung einer den ganzen Körper trainierenden Sportart wie z.B. Schwimmen, Turnen (aber bitte nicht leistungsmäßig!), Leichtathletik oder Judo. Im Basketballtraining läßt sich in dieser Richtung aber auch durch regelmäßige Durchführung körperstabilisierender Übungen (vgl. dazu Artikel Trainingslehre) einiges tun. Auch Liegestütze und Klimmzüge wirken in dieser Richtung.



  9. Das Alter zwischen ca. sieben Jahren bis zum Beginn der Pubertät ist eine sogenannte sensible Phase zum Erlernen koordinativer Fähigkeiten und zur Entwicklung der Grundschnelligkeit. Was in diesem Alter verpaßt wird, ist nie mehr ganz aufzuholen, denn das koordinative Lernen ist abhängig vom Reifungsprozeß des Zentralnervensystems, der in diesem Alter besonders schnell vonstatten geht und mit dem Einsetzen der Pubertät weitgehend abgeschlossen ist. Nach diesem Zeitpunkt werden im Gehirn keine neuen Verknüpfungen mehr gebildet. Bewegungsabläufe, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht erlernt wurden, können daher später nur mit erheblich größerem Trainingsaufwand eingeübt werden, sind nicht mehr vollständig zu automatisieren und stehen deshalb auch nicht variabel zur Verfügung, d.h. unter Belastung und in überraschenden Situationen kommt es häufig zu Fehlern.
    An dieser Erkenntnis muss sich der gesamte Trainingsaufbau orientieren. Eine der wichtigsten Folgerungen für das Basketballtraining ist beispielsweise, dass die Kinder so früh wie möglich konsequent zu „Beidhändern“ erzogen werden, weil sich der so wichtige hohe Automatisationsgrad später nicht mehr erreichen läßt. Muß ein Spieler über die Verwendung der Dribbel- oder Wurfhand erst bewußt entscheiden, ist die Wahrscheinlichkeit eines Ballverlusts oder Fehlwurfs deutlich höher als bei einer vollständig automatisierten Steuerung.
    Gesondertes Ausdauertraining spielt in dieser Altersklasse keine Rolle, da sich Ausdauer bis ins hohe Alter verbessern lässt und diese Fähigkeit schon im Spiel und in Spielformen aureichend entwickelt wird.



  10. Der Coach muss in allem ein Vorbild sein. Das fängt damit an, dass er pünktlich und zuverlässig ist, führt über fairen und ehrlichen Umgang mit den eigenen Spielern bis zum Verhalten gegenüber Gegnern und Schiedsrichtern. Man kann den Kindern kein Konzept verkaufen, dass man ihnen nicht selbst vorlebt. Schreien, Toben, Beschimpfungen und Beleidigungen – wie man sie leider nur allzu häufig beobachten kann – haben in diesem Konzept keinen Platz.


Der wichtigste Schritt zur Umsetzung dieser Überlegungen ist sicher eine entsprechende Bewußtseinsbildung bei den Coaches und eine intensivere Betonung der angeführten Aspekte in der Traineraus- und –weiterbildung. Auch müssen Wege gefunden werden, wie man die vielen unlizensierten Trainer und Trainerinnen erreichen kann, die meist einfach so trainieren lassen, wie sie selbst trainiert wurden. In den seltensten Fällen wird das den speziellen Erfordernissen des Jugendtrainings gerecht.