Einwechselspieler und „erste Fünf“

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Man sieht es so oft bei knappen Spielen: ein Spieler, der lange Zeit auf der Bank gesessen hat, wird eingewechselt, macht ein, zwei Fehler, wird wieder ausgewechselt und verbringt den Rest des Spiels auf der Bank. Der Spieler ist sauer und verunsichert, der Coach setzt ihn beim nächsten knappen Spiel gar nicht mehr ein, und der Spieler verlässt vielleicht mitten in der Saison frustriert die Mannschaft. Was lässt sich tun, um solche Konfliktsituationen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren? Zunächst müssen sich Trainer und Spieler vor der Saison über ihre Vorstellungen und Erwartungen im klaren sein. Der Trainer muss wissen, wie seine Spieler sich einschätzen, die Spieler müssen erfahren, wie der Trainer sie beurteilt und welche Chancen und Spielanteile er ihnen einräumt. Unterschiedliche Auffassungen müssen besprochen und die Ursachen dafür geklärt werden. So kennt jeder Spieler rechtzeitig die ihm zugedachte Rolle und kann entscheiden, ob er sie akzeptiert oder lieber das Team verlässt. Probleme treten immer dann auf, wenn die Selbsteinschätzung eines Spielers und die Beurteilung des Trainers mehr oder weniger weit auseinandergehen. Solche Differenzen sollten dann mit der gesamten Mannschaft besprochen werden, um Fehleinschätzungen der einen oder anderen Seite gemeinsam zu korrigieren. Wichtig ist, dass Konflikte in Ruhe besprochen werden, nicht während oder direkt nach einem Spiel, wobei Kritik immer sachlich bleiben muss. Probleme sollten möglichst schnell angesprochen und bereinigt werden; wenn man sie wochenlang herunterschluckt, stauen sie sich auf und entladen sich meist im ungünstigsten Augenblick, nämlich mitten im Spiel. Trainer sollten die Gründe für Nichteinsätze und Auswechslungen immer dem betreffenden Spieler mitteilen und sich vor allem im Nachhinein nicht zu schade sein, Fehlentscheidungen einfach zuzugeben. Als Spieler sollte man versuchen, sich in die Situation des Coaches zu versetzen: er muss in jedem Spiel unter Druck schnelle Entscheidungen treffen, die von unzähligen Faktoren bestimmt werden. Man macht es ihm nicht leichter, wenn man der ganzen Halle zeigt, wie unzufrieden man über seine Auswechslung ist („WAS, ICH?“), mit beleidigtem Gesicht auf der Bank sitzt oder sich über die Mitspieler auf dem Feld aufregt. Als Spieler ist es sehr schwer, die eigene Leistung objektiv zu beurteilen. Aber wieviel schwerer hat es der Coach, der ständig zehn Feldspieler gleichzeitig beobachten muss. Da kommt es schon mal vor, dass ein Spieler für einen Fehler verantwortlich gemacht wird, den er gar nicht verschuldet hat. Das muss man einfach wegstecken; man kann nicht während des Spiels anfangen, lange Debatten über Dinge zu führen, die nicht mehr zu ändern sind. Als Trainer muss man sich im klaren sein, dass die „zweite Fünf“ ein wesentlicher Leistungsfaktor eines Teams ist. Die bessere „Bank“ hat schon viele Spiele und Meisterschaften entschieden. Spieler, die immer nur bei klarem Spielstand eingesetzt werden oder wenn Leistungsträger versagen, bzw. wegen Verletzung oder Foulbelastung ausfallen, sind für ein Team wertlos, da sie, wenn sie einmal gebraucht werden, der Situation natürlich nicht gewachsen sind. Auch die gängige Maßnahme, wenn das Spiel „gelaufen“ ist, die komplette „zweite Fünf“ spielen zulassen, in den USA bezeichnenderweise „garbage time“ genannt, ist absoluter Unsinn, da sie eher zu noch stärkerer Verunsicherung führt: wie soll man in einer Formation, in der jeder noch seinen „Zeitungspunkt“ machen will, eine vernünftige Leistung bieten? Es lohnt sich, die übliche „Erste-Fünf-Praxis“, die wohl die meisten Trainer ziemlich unreflektiert von ihren eigenen Trainern übernehmen, intensiv zu überdenken: „Ersatzspieler“ spielen oft hauptsächlich deswegen schlecht, weil sie kalt und nervös in ein Spiel kommen und vor lauter Angst, Fehler zu machen, kaum klar denken können. Sie bleiben zwangsläufig weit unter ihrem Leistungsvermögen, was der Mannschaft nur schadet. So mancher „Bankspieler“ könnte viel mehr zum Spiel beitragen, wenn er von Anfang an auf dem Feld stünde, gut aufgewärmt, mit gestärktem Selbstvertrauen an der Seite einiger erfahrener Spieler. Gerade Nachwuchsspieler lassen sich so gut an das Niveau der Leistungsträger heranführen. Man hat dann einige bessere, routinierte Spieler quasi als „Joker“ auf der Bank, die dann ins Spiel kommen, wenn die erste Fünf des Gegners anfängt müde zu werden! Zudem können auch schwächere Spieler sehr effektiv spielen, wenn man sie im Rahmen ihrer Fähigkeiten gezielt mit Spezialaufgaben versieht (z.B. Blocks stellen, Defensivaufträge). Im übrigen reduziert man die Foulbelastung seiner stärksten Fünf, da die Schiedsrichter nachweislich zu Beginn beider Halbzeiten besonders aufmerksam sind. Kein Spieler kann 40 Minuten lang optimale Leistung bringen. Die Effektivität der Leistungsträger nimmt daher zu, da sie bei verringerter Spielzeit viel intensiver und konzentrierter agieren können, d.h. sie erzielen gleiche Wirkung in weniger Zeit. Durch den vermehrten Einsatz der „zweiten Fünf“ wird also das konditionelle Gesamtpotential der Mannschaft erheblich gesteigert, wodurch eine viel schnellere und aggressivere Spielweise möglich ist. Auch der Ausfall einzelner Leistungsträger lässt sich so viel leichter verkraften. Die Leistungskurve einer so geführten Mannschaft zeigt zwangsläufig steil nach oben, da alle Spieler sich entwickeln können: Spielen lernt man nur durch Spielen, nicht beim Sitzen! Überlegen ist eine solche Mannschaft auch durch ein echtes „Wir-Gefühl“, einen starken Teamgeist, der dem eines „Zwei-Klassen-Teams“ weit überlegen ist. Entscheidend für den Erfolg dieses Konzepts ist, das der Coach sowohl vor der ganzen Mannschaft als auch bei einzelnen Spielern Überzeugungsarbeit leistet. Alle Spieler, vor allem die (vermeintlich) stärkeren, müssen erkennen, dass die Mannschaft unter dem Strich viel stärker wird, wenn es gelingt, aus jedem Spieler das Optimale herauszuholen.

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