Behandlung von Sportverletzungen – 2

Quelle: Ärztewoche, https://www.infoline.at/sportverletzungen/


PECH hilft, das Trauma minimal zu halten


Bei der Erstversorgung gilt die Regel: Pause, Eis, Compression, Hochlagerung.


 

„Die Zahl der Sportunfälle hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Früher waren etwa zehn Prozent aller Verletzungen Sportverletzungen, heute sind es um die 20 bis 25 Prozent, weiss Prof. Dr. Klaus Steinbrück, Chefarzt der Sportklinik Stuttgart. Gründe für diese Entwicklung sind zum einen die insgesamt zunehmende Zahl von Sporttreibenden, der Trend zu Modesportarten mit erhöhtem Verletzungsrisiko wie Inline-Skating, zum anderen aber auch das mangelnde Training der Bewegungsabläufe und das unzureichende Beachten von Vorsichtsmaßnahmen.


Etwa 1,5 Millionen Mal, grob geschätzt, verletzen sich Freizeitsportler pro Jahr. Meistens handelt es sich um Verletzungen am Bewegungsapparat, wie Kontusionen, Distorsionen und Kapsel-Band-Läsionen. Am häufigsten verletzen sich Sportler am Knie und am oberen Sprungelenk.


Als Grundsatz für die Erstversorgung von Patienten mit frischen Sportverletzungen gilt nach wie vor die bekannte Regel PECH (Pause, Eis, Compression, Hochlagerung). Rasche Behandlung nach diesem Prinzip bewirkt nicht nur eine Schmerzlinderung, sondern auch eine Minderung der Weichteilschwellung, der Ödembildung und der posttraumatischen Entzündungsreaktion.


Ruhigstellung mit Hochlagerung der verletzten Körperstelle sind in der akuten Phase nach unkomplizierten Verletzungen nur so lange ratsam, bis die Schwellung nachgelassen hat und der Akutschmerz abgeklungen ist. Zur stabilisierenden Ruhigstellung sowie zur Verhinderung von Nachblutungen und Schwellungen werden Kompressionsverbände angelegt.


Die Akutphase endet allgemein mit dem zweiten Tag nach der Verletzung. Danach sollte die verletzte Region wieder dosiert beansprucht werden.


Zur Kältebehandlung wird heute Eiswasser mit einer Temperatur von etwa null Grad Celsius bevorzugt. Denn eine zu starke Kühlung zum Beispiel mit Eiswürfeln oder mit Kältesprays kann zu Gewebeschäden führen. Mit den Maßnahmen nach der PECH-Regel kann das Ausmaß des Gewebetraumas initial so klein wie möglich gehalten werden.


Allein damit ist es aber bei den meisten Patienten mit Sportverletzungen nicht getan. Zusätzlich kommen für die Behandlung Salben, Gele oder flüssige Einreibungen sowie orale Präparate in Frage, die den Patienten Erleichterung verschaffen und den Heilungsverlauf unterstützen: zum Schmerzstillen, zur Resorptionsbeschleunigung, Reiz- und Entzündungshemmung sowie zur Heilung und Regeneration.


Bandverletzungen: Auf Operation verzichten


Zunehmend mehr Patienten mit Bänderrissen, beispielsweise am Knie oder am oberen Sprunggelenk, werden heute konservativ-funktionell behandelt. Ob eine Operation vermieden werden kann, hängt außer von der Schwere der Verletzung auch letztendlich davon ab, wie sportlich aktiv der Patient ist und welche Behandlungsmethode er bevorzugt.


In verschiedenen Untersuchungen wurde nach Angaben von Dr. Heinz Lohrer vom Sportmedizinischen Institut in Frankfurt am Main bereits belegt, dass bei Patienten mit einem erstmaligen unkomplizierten Bänderriss im oberen Sprunggelenk das Therapie-Ergebnis nach einer operativen Rekonstruktion keineswegs besser ist als nach Spontanheilung.


Die Operation ist aber meist notwendig bei einem wiederholten Bänderriss an der selben Stelle. Ebenso operiert werden sollte bei bei komplexen Bandverletzungen am Knie und großen Instabilitäten. Bei einer isolierten vorderen Kreuzbandverletzung kann nach Angaben von Professor Philipp Lobenhoffer aus Hannover eine konservativ-funktionelle Therapie erwogen werden, wenn die Patienten nur wenig sportlich aktiv sind, wenn die vordere Translation nur mäßig und das Instabilitätsgefühl gering sind.


Bei einer isolierten hinteren Kreuzbandverletzung besteht nur selten die Indikation zu einer Operation. Die Spontanprognose ist bei dieser Verletzung günstig, so Lobenhoffer, zudem sind die Ergebnisse der Operation uneinheitlich.


In der Rehabilitation, ob mit oder ohne Operation, ist heute die früh-funktionelle Behandlung mit Orthesen oder Tape-Verbänden Standard.


Okklusive [geschlossene] Salbenverbände bringen viel


Wer Patienten mit akuten Sportverletzungen behandelt, hat die Qual der Wahl. Es steht eine Fülle von Präparaten zur Verfügung; allein für die perkutane Therapie zum Beispiel werden über 300 Mono- oder Kombinationspräparate angeboten. Welche Therapieart zu bevorzugen ist, hängt von der Verletzung und vom Patienten und seiner Mitarbeit ab, sagt Professor Wolfgang Pförringer, in München niedergelassener Orthopäde und Sportmediziner.


Was hat sich zum Beispiel bei Patienten mit einer typischen Kapsel-Band-Verletzung, etwa einer schweren Distorsion am oberen Sprunggelenkt mit großer Weichteilschwellung und Hämatom bewährt? Pförringer setzt bevorzugt auf nächtliche okklusive Salbenverbände, die sich der Patient selbst anlegen kann. Voraussetzung ist, dass die Applikationsweise gut erklärt worden ist. Es sollte eine analgetisch-antiphlogistische Salbe verwendet werden, kein alkoholhaltiges Gel, rät er. „Die Salbe messerrückendick auf das Gelenk streichen, darüber eine Frischhaltefolie, dann eine elastische Binde.“ Der Verband sollte für die Nacht so lange angelegt werden, bis eine deutliche Besserung eingetreten ist. Dies dauere meist 2 bis 4 Tage.


Tagsüber bietet sich zur Unterstützung der Behandlung die Anwendung von Salben, Gelen und Emulsionen an. Als Wirkstoffe in diesen Externa kommen außer nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) vor allem Phytopharmaka und andere Substanzen wie Dimethylsulfoxid (DMSO) in Betracht. Zur Beschleunigung der Resorption von Ödemen und Hämatomen sowie zur Regulation der Durchblutung können auch Heparin-haltige Substanzen gegeben werden.


Für die abschwellende Therapie bevorzugt Pförringer Medikamente, die Aescin enthalten, einem in Rosskastanien enthaltenen Saponin. Von Aescin gibt es parenterale, orale und topische Zubereitungen. Intravenös verabreicht wirkt es nach Angaben des Sportmediziners sehr rasch antiphlogistisch. Oral seien Aescin-haltige Präparate eine gute Alternative zu NSAR wie Diclofenac oder Ibuprofen. Die Präparate sollten hochdosiert genommen werden. Auch die topische Behandlung mit Arnika, Kampfer und verschiedenen Pflanzenmischungen liefert nach der Erfahrung von Pförringer durchaus überzeugende Ergebnisse. „Der Stellenwert von Phytopharmaka hat bei der Behandlung von Patienten mit Sportverletzungen zugenommen.“ Häufig verwendet werden in der Sporttraumatologie auch oral applizierbare Enzympräparate. Sie enthalten proteolytische Enzyme, etwa Bromelain, Papain, Trypsin und Chymotrypsin. Diese Substanzen beschleunigen den Abbau von Ödemen und die Resorption von Hämatomen.


Außerdem tragen sie zum Abbau und Abtransport von Stoffwechselprodukten bei, und sie Entzündungsmediatoren.


Zu beachten ist bei einer Therapie mit Enzym-Präparaten, dass sie rasch nach einem Unfall und vor allem auch hochdosiert genommen werden.


Die Behandlung mit Topika, die die Heilung und Regeneration beschleunigen, gewinnt nach der Wundphase – sie dauert etwa vier bis acht Tage – an Bedeutung. Verwendet werden Phytopräparate wie Arnika und Echinacea, außerdem Allantoin und Dexapanthenol, ätherische Öle und Organextrakte.