Transition Defense (Unterzahl 2-3)
Lehrprobenentwurf zur
BASKETBALL-B-TRAINER-PRÜFUNG
Günter Steppich, Heidelberg, 29.10.89
Grundlagenthema: CUTS
Taktikthema : UNTERZAHLVERTEIDIGUNG 2-3
1. VORAUSSETZUNGEN:
Lerngruppe ist der weibliche DBB-Kader, Jahrgang 73. Es stehen voraussichtlich 14 Spielerinnen zur Verfügung. Alle sind D-Kader-Mitglieder ihrer Landesverbände und haben bisher einen 8-tägigen DBB-Lehrgang absolviert. Laut Bundestrainer Steven Clauss haben viele der Spielerinnen Schwächen sowohl im individuellen als auch im gruppentaktischen Angriffsverhalten, v.a. bezüglich des situativ richtigen Handelns. Das Verteidigerverhalten wird als „sehr gut“ bezeichnet, was eine konkrete Planung vereinfacht.
Da mir die Spielerinnen größtenteils unbekannt sind, fällt es schwer, das Niveau der Gruppe exakt einzuschätzen. Daher habe ich besonders das Grundlagenthema etwas umfangreicher ausgearbeitet, um einen größeren Spielraum zu haben und flexibler reagieren zu können.
Die Progression im Stundenverlauf muß sich nach der Geschwindigkeit richten, mit der die einzelnen Lernschritte von der Lerngruppe bewältigt werden.
Materielle Voraussetzungen: 4 Körbe, 4 Bälle, Markierungshemden.
2. LERNZIELE:
2.1. zu CUTS:
Ausführen der Finten Tempo- und Richtungswechsel mit richtiger Fußarbeit
Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger („einfrieren“) vor dem Lösen
glaubhaftes Ausführen der Finten
situativ richtiges, verteidigerorientiertes Anwenden der Cuts
2.2. zu UNTERZAHLVERTEIDIGUNG 2-3:
richtiges Durchführen des abwechselnden Angreifens und Absinkens
aktive Verteidigung/Anwenden von Verteidiger-Finten
Verhindern von einfachen Würfen, insbesondere von Durchbrüchen
3. SACHANALYSE:
3.1. CUTS:
Die Verwendung des weitgefaßten Begriffs „Cuts“ wirft gewisse Probleme bezüglich der inhaltlichen Abgrenzung des Themas auf:
nach HAGEDORN (1985, 455) ist ein Cut eine Schneidebewegung, d.h. einschneller Lauf eines Angreifers zum Korb, um für ein Anspiel und einen Wurf aus günstiger Position freizuwerden. Je nach Stellung des Verteidigers kann der Angreifer vor ihm („Schneiden-zum-Korb“) oder hinter ihm („Schneiden-im-Rücken“) schneiden, wobei die Terminologie hier nicht ganz glücklich gewählt ist, da schließlich beides Bewegungen „zum-Korb“ sind. Diese Manöver werden bei HAGEDORN als Aktionen auf der Ballseite behandelt.
im amerikanischen Sprachgebrauch fallen unter den Begriff „Cuts“ (I-Cut,V-Cut, L-Cut) auch das Lösen-vom-Mann zum Ballerhalt außerhalb der Zone und das Schneiden von der schwachen Seite (weakside-cut), Bewegungen, die bei HAGEDORN(1985, 198/206/280f) als Starten-zum-Ball und Starten-in-denRaum nur oberflächlich behandelt werden.
darüberhinaus kann auch ein Verteidiger schneiden (in einen Paßweg), um einen Ballgewinn zu erzielen. Dies ist hier sicher nicht gemeint.
In Anbetracht der zur Verfügung stehenden Zeit ist es nicht möglich, den ganzen Bereich der „Cuts“ abzudecken. Es erscheint am sinnvollsten, die wesentlichen Grundlagen der Schneidebewegungen zu vermitteln, die alle Spieler unabhängig von ihren Spielpositionen beherrschen müssen.
Dies geschieht zum einen anhand des „Passen-und-Schneiden-zum-Korb“ und „Passen-und-Schneiden-im-Rücken“ („backdoor“) von der Flügelposition. Schwerpunkte werden dabei auf die individualtaktischen Täuschungen Tempo- und Richtungswechsel (Fußarbeit!) und situativ richtiges handeln (Verteidigerverhalten „lesen“) gesetzt. Die thematisierten Verhaltensmuster sind ohne weiteres auf die anderen Spielerpositionen transferierbar.
Weiterhin müssen die Spieler lernen, daß ein Cut immer ein „Lösen-vom-Verteidiger“ ist, um ein sicheres Anspiel in einer günstigen Position zuerhalten. Um sich von jemandem lösen zu können, muß man aber zuerst Kontakt mit ihm haben! Dieser Grundsatz läßt sich gut anhand des Schneidens von der schwachen Seite verdeutlichen: wenn mein Verteidiger abgesunken ist, muß ich zuerst hin zu ihm (ihn blockieren, „einfrieren“), um mich dann von ihm lösen zu können.
Cuts gehören bereits in den Bereich der Gruppentaktik, da zwei Angreifer (1Cutter, 1 Paßgeber) zum Durchführen einer Schneideaktion notwendig sind. Der Erfolg der Aktion hängt allerdings in erster Linie vom individualtaktischen Verhalten im Spiel 1:1 ohne Ball ab, das daher im Mittelpunkt stehen muß. Generell muß dem Spiel ohne Ball größte Aufmerksamkeit gewidmet werden, es entscheidet schließlich über die Qualität der Ausgangsposition beim Spiel mit Ball.
Die Raumhilfe „Passen und Schneiden“ als „Give and Go“ steht am Anfang der gruppentaktischen Schulung. Sie läßt sich gut aus der Grundaufstellung 1 Aufbau und 1 Außen erarbeiten: nach dem Abspiel zum Aufbauspieler macht der Flügelspieler mit dem Außenfuß eine Schritttäuschung zum Verteidiger hin (Kontakt aufnehmen) und startet dann mit einem großen, schnellen Kreuzschritt am Verteidiger vorbei nach innen zum Korb. Die Ausführung der Täuschung (Glaubwürdigkeit) und des ersten Schritts (Tempo, Länge) entscheidet über Erfolg oder Mißerfolg der Aktion.
Als Gegenmaßnahme rückt ein guter Verteidiger sofort nach dem Paß zum Ball ein und schließt den Paßweg (er „überspielt“). Der Angreifer verstärkt nun wieder diese Verteidigerstellung, indem er die oben beschriebene Finte zum Ball hin anwendet. Dann schneidet er, wieder mit Kreuzschritt, im Rücken des Verteidigers zum Korb. Anstatt der Schrittäuschung kann auch eine Körpertäuschung verwendet werden. Diese Schneidebewegungen sind um so aussichtsreicher, je weiter der Verteidiger zuvor vom Korb weggezogen werden konnte – je länger der Laufweg des Cutters, desto einfacher wird die Aufgabe für den Paßgeber (Paß-Timing). Je kürzer derCut, desto perfekter muß der Paß sein.
Zu Täuschungen:
das wichtigste ist, daß sie glaubwürdig ausgeführt werden. Der Angreifer muß schauspielerische Qualitäten entwickeln, um den Verteidiger zu „verladen“.
je mehr Täuschungen ein Spieler beherrscht, desto gefährlicher ist er. KeineTäuschung kann dann auch eine Täuschung sein, ebenso wie eine absichtlich schlecht ausgeführte Finte (bei Doppeltäuschungen: angetäuschte Täuschung, um die wirkliche Täuschung zu verstärken).
Die hinreichende Beherrschung von Freimachbewegungen nach außen wird bei dieserGruppe vorausgesetzt und daher nicht gesondert behandelt. Sollten aber beim“live“-Spiel in diesem Bereich größere Mängel auftreten, so wird darauf eingegangen. Dies ist problemlos möglich, da die gleichen Prinzipien wie oben anzuwenden sind.
Beim Schneiden von der schwachen Seite wird zusätzlich das „Rolling“ am Verteidiger thematisiert. Die Beinarbeit dabei ist identisch mit der der Wende beim Dribbling.
3.2. UNTERZAHLVERTEIDIGUNG 2-3:
Unterzahlsituationen entstehen:
bei gegnerischen Schnellangriffen,
bei Ball-Raum-Verteidigung durch Überlagerung,
in Help-Situationen, wenn ein Verteidiger ausgespielt wird.
wenn eine Preßverteidigung ausgespielt wird.
Unterzahlsituationen werden im Training auch verwendet, um Prinzipien derZonenverteidigung zu erarbeiten.
Verteidigung in Unterzahl ist immer eine Angelegenheit von wenigen Augenblicken.Ziel der Verteidiger ist es, einen einfachen Wurf, v.a. einen Durchbruch zumKorb, solange zu verhindern, bis die Gleichzahl wieder hergestellt ist.
Bei einer Unterzahlsituation 2-3 müssen die Verteidger versuchen, in eine hintereinander gestaffelte Aufstellung zwischen Ball und Korb zu gelangen, wobei der vordere Verteidiger (X1) den ballbesitzer angreift und versucht, einen Durchbruch zu verhindern, indem er einen Dribbler möglichst korbfern stoppt oder ihn vom Korb abdrängt. Der hintere Verteidiger (X2) sinkt zum Korb ab und nimmt im Fall eines Abspiels den neuen Ballbesitzer auf, während X1 nun absinkt, usw. Beide Verteidiger müssen mit Täuschungen versuchen, die Angreifer zu irritieren und möglicherweise zu Fehlhandlungen zu verleiten. Keinesfalls darf die Initiative den Angreifern überlassen werden – eine passive, nur reagierendeVerteidigung hat keine Chance. Mögliche Verteidigerfinten sind:
Attackieren antäuschen und dann absinken
Paßweg anbieten und dann schließen
Seite für Durchbruch anbieten und dann Weg schließen/Charging annehmen.
4. METHODISCHE ENTSCHEIDUNGEN:
Neue Übungsformen und -inhalte werden durch Unterrichtsgespräch eingeführt und mittels geeigneter Demonstrationen verdeutlicht. Bei auftretenden Problemen undFehlern wird der Übungsverlauf unterbrochen und durch weitere Erklärungen und Demonstrationen ergänzt.
4.1. zu Cuts:
das Aufwärmen erfolgt spezifisch und besteht daher im wesentlichen aus Übungenzur Laufschule, die Richtungs- und Tempowechsel beinhalten. Diese werden natürlich nicht sofort mit vollem Tempo durchgeführt.
die Gestaltung der 10-minütigen Stretchingeinheit wird den Spielerinnen selbst überlassen, da ich bei Kaderspielerinnen davon ausgehe, daß sie über ihr eigenesProgramm verfügen. Trotzdem wird die Ausführung kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert.
da es bei Finten im wesentlichen auf die glaubwürdige Ausführung und die situativ richtige Anwendung ankommt, ist es (speziell bei einer fortgeschrittenen Lerngruppe) wenig sinnvoll, Cuts in 1:0-Situationen zu üben.Stattdessen wird gleich in der Situation 1:1+1 mit eingeschränkter Verteidigeraktivität begonnen. Dem Verteidiger wird zumnächst ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben, damit der Angreifer den richtigen Ablauf des“zum-Korb“ und des „im-Rücken“ Schneidens üben kann.
es soll relativ schnell zum Spiel 2:2 „live“ übergegangen werden, um dassituativ richtige Anwenden möglichst spielnah zu üben. Enge Mann-Mann-Verteidigung wird vorgeschrieben, Partnerhilfen sind den Angreifern nicht erlaubt.
beim Erarbeiten der Cuts von der schwachen Seite sinkt der Weakside-Verteidger auf die Korb-Korb-Linie ab. Die Schneidebewegung wird zunächst wieder im 1:1+1geübt. Danach folgt 3:3 „live“, wobei alle Schneidebewegungen angewandt werden.Um möglichst viel Raum zum Schneiden zu haben, sollen sich nie alle drei Spielerauf der Ballseite aufhalten. Die Spieler müssen beachten, daß der Paßgeber „Vorfahrt“, also 1. Priorität zum Schneiden hat.
4.2. zu UNTERZAHLVERTEIDIGUNG:
das richtige Verhalten in Unterzahl wird zunächst mit einem „Tigerball“-Spiel geschult: drei stationäre Angreifer in Dreiecksaufstellung (ca 1m v.d. Zoneentfernt) spielen sich gegen zwei Verteidiger den Ball zu. Für die Verteidiger gelten zwei Regeln: 1. keinem Paß hinterherlaufen 2. immer den Ballbesitzer angreifen. Das Spiel geht, bis ein Verteidiger einen Paß berührt hat.
im Spiel 2-3 mit Korbwurf geht es für die Verteidiger darum, die zunächst stationären Angreifer möglichst lange nicht zu einem unbedrängten Wurf kommen zulassen. Nach 5 Angriffen werden die Verteidiger ausgewechselt.
Unterzahlverteidigung läßt sich gut in Schnellangriffsituationen üben. Diese Übungsformen sind sehr motivierend und spielnah. Da es für die Verteidigung darum geht, den Angriff kurzzeitig zu verzögern, wurden Spielformen 2-3 mit einem verzögert eingreifenden defensiven Helfer gewählt:
Beim Überschlagspiel (LS 11) steht dieser dritte Verteidiger am Schnittpunkt von Mittel- und Seitenlinie. Sobald der Ball die Mittellinie überquert, läuft derHelfer in den Mittelkreis, berührt die Mittellinie mit der Hand und in die Verteidigung. Seine Mitspieler müssen versuchen, einen einfachen Abschluß bis zu seinem Eintreffen zu verhindern.
LS 12 ist ein Ganzfelddrill zur Unterzahlverteidigung mit verzögerter Hilfe. 3Angreifer stehen an der Grundlinie, 3 Verteidiger an der Freiwurflinie. Ein Angreifer spielt einem Verteidiger den Ball zu, dieser paßt ihn sofort zu ihm zurück. Während jetzt der Schnellangriff 3-2 auf den anderen Korb beginnt, muß der angespielte Verteidiger erst zur (gegnerischen) Grundlinie laufen, ehe er seinen zu Hilfe kommt. Hierbei werden die Verteidiger gezwungen, ihren Rückzug spontan zu organisieren und dabei die vorher erarbeiteten Prinzipienanzuwenden.
5. GEPLANTER LEHRPROBENVERLAUF:
LS | Inhalte | U-Form | Zeit |
1 | Einführungsgespräch, Darstellung des Stundenverlaufs. Thema CUTS | UG | 1-2 min |
2 | Aufwärmen: Laufschule, Richtungs- und Tempowechsel | ÜF | 10 min |
3 | Stretching | individuell | 10 min |
4 | Schneiden-zum-Korb/im-Rücken 1:1+1 | ÜF/UG/D | 10 min |
5 | dto. 2:2 „live“ | „ | 5 min |
6 | Schneiden von schwacher Seite 1:1+1 | „ | 5 min |
7 | Kombination 4 und 6, 3:3 „live“ “ | „ | 10 min |
| |||
8 | Thema: Unterzahlverteidigung 2-3 | UG | 1-2 min |
9 | „Tigerball“ 2-3 | ÜF | 5 min |
10 | dto., mit Korbwurf | ÜF/UG/D | 5 min |
11 | Überschlagspiel: 3-2 +1 def. Helfer | „ | 5 min |
12 | Ganzfelddrill: 3-2 +1 def. Helfer | „ | 5 min |
13 | Auslaufen | ÜF | 5 min |
14 | Stretching | individuell | 10 min |
6. LITERATUR:
DeVENZIO, D.: Stuff! good players should know. Charlotte NC, 1983.
HAGEDORN, G./NIEDLICH, D./SCHMIDT, G.: Basketball-Handbuch. Reinbek, 1985.
HARVEY, R.W.: Situation-Reaction-Drills for Offensive Basketball. New York, 1983.
HERCHER, W.: Basketball. Berlin, 1973.
KOZOCSA, I.: Basketball Lehrbuch. Bd. 2 und 3. Stuttgart, 1982.
RÖDER, B.: Freimachen auf Flügel und Center. Unveröff. Manuskript, DBB-Sommercamp, Heidelberg, 1985.
WOODEN, J.R.: Practical Modern Basketball. New York, 1966.